Urlaub auf Korsika genießen
Informationen und Urlaubstipps zu Korsika, der Trauminsel im Mittelmeer

Reiseberichte

Stefanie Hintzen (Sommer 2003)
Ein Abend in der Casinca
- Eine Begegnung mit der korsischen Kultur -


Im August/September 2003 verbrachten wir zum 2. Mal einen Campingurlaub an der Ostküste Korsikas ("Aleria") - für uns Ausgangspunkt zu ein- bzw. mehrtägigen Touren in verschiedene Regionen der Insel, um sie kennen zu lernen und die reizvolle, landschaftliche Vielfalt der schönen Insel zu erleben.
Als besonderes "Highlight" des Urlaubs blieb mir ein Ausflug am Spätnachmittag in die "Casinca" in Erinnerung.
Das korsische Weinbaugebiet liegt ca. 25 km südlich von Bastia, auf ungefähr 200 m Höhe und verlängert die "Castagniccia" nach Nordosten hin. Von der N 198 aus kommend kann man über mehrere kurvenreiche Strecken, die in den Orten "Folelli", "Querciolo" oder "Torro" von der Hauptstraße abzweigen, sehr malerische, touristisch unberührt wirkende Casinca-Dörfer wie "Vescovato", "Venzolasco", "Loreto di Casinca" oder "Castellare di Casinca" erreichen. Eingerahmt von sonnigen Terrassen, Weinbergen, Olivenbäumen sowie Kastanien liegen die Dörfer wie Adlerneste in den Hängen und gestatten immer wieder traumhafte Ausblicke auf die Ostküste.
An diesem Sonntagabend besuchten wir mit Freunden, die schon öfter in der Casinca gewandert waren, eine Pizzeria in "Loreto" von deren Terrasse aus man einen sehr schönen Ausblick auf die Landschaft genießen kann. Da es in der langsam untergehenden Sonne kühl wurde und wir vier kleine Kinder dabei hatten, entschieden wir uns für einen Tisch im Inneren der Pizzeria. Das rustikale Bruchsteingebäude strahlte auf den ersten Blick mit Holzbalken, naturbelassenem Mauerwerk und alten Bauerngerätschaften als Wanddekoration eine sehr ursprüngliche und gemütliche Atmosphäre aus. Die 8-10 Holztische waren im ganzen Raum einladend platziert. Wir wurden sehr freundlich empfangen und die Tische für unsere 12-köpfige Gruppe direkt zusammen geschoben. Im Laufe der nächsten Stunde füllte sich das Restaurant mit Leuten, die sich zu kennen schienen, da sie sich herzlich begrüßten, woraus wir schlossen, dass es sich hauptsächlich um Korsen, bzw. Bewohner des Dorfes/der Gegend handeln müsse.
Irgendwann nahmen an der Bar - zunächst fast unbemerkt - in einem kleinen Kreis aus Barhockern drei komplett schwarz gekleidete junge Männer/Jugendliche Platz, die kaum miteinander sprachen, sich aber gegenseitig fast unentwegt in die Augen schauten.
Während im Hintergrund leichte Musik lief und wir unser Essen bereits genossen, begannen die jungen Männer plötzlich zunächst leise eine Art kirchlichen Gesang anzustimmen. Wir waren etwas erstaunt, da es sich nicht gerade um Unterhaltungsmusik handelte, applaudierten und aßen weiter. Nach kurzer Zeit folgte die nächste Gesangseinlage - nun schon etwas lauter, immer noch eher für die Kirche geeignet. Der Kellner hinter der Bar nahm weiter keine Notiz von den Dreien und ließ auch die Musik aus der Anlage weiter laufen. Mit der Zeit wurden die Gesänge immer lauter, übertönten nun sogar schon die Musik aus der Anlage. Einige Gäste klatschten Beifall, andere schauten etwas verärgert oder irritiert drein, da aufgrund der Lautstärke/Präsenz des Gesangs nun keine Unterhaltung mehr möglich war.
Der Kellner ließ immer noch die Musik laufen und zeigte weder Freude noch Ärger über die Live-Darbietung, sondern ignorierte sie einfach. Zwei der drei Sänger schauten sich intensiv in die Augen, der dritte hielt die Augen geschlossen und schien sich irgendwie nun bereits in einer Art Trance/Meditation zu befinden.
Zu diesem Zeitpunkt war ich etwas verunsichert, denn mir schossen diverse Klischees, Vorurteile und andere Erklärungsmodelle für das irgendwie doch sehr ungewöhnliche Verhalten der jungen Männer durch den Kopf. Ich fragte mich: "Könnte es sich wohl noch um eine völlig harmlose Art von Stammtisch-Treffen des hiesigen Kirchenchores handeln? Kann es ein besonderes "korsisches" Ritual sein? Hören wir hier Lieder einer "Schlagenden Verbindung"? Oder haben wir es schon mit provokantem Verhalten von Sympathisanten oder gar Aktivisten!!! der korsischen Befreiungsbewegung zu tun? Stehen vor uns nur - wie hierzulande in Kneipen auch manchmal anzutreffen - leicht übermütige, reichlich alkoholisierte oder sonst wie "bedröhnte" Jugendliche, die die Gäste ein bisschen "aufmischen" wollen?"
Die auffallende Virtuosität der Gesänge der Jungen und die offensichtliche Gelassenheit des Personals schloss letztere Möglichkeit jedoch aus.
Nach und nach verloren die Lieder auch etwas ihren sakralen Charakter und es gesellte sich als "Gitarrist" ein vierter schwarz gekleideter Junge dazu, der offensichtlich zur Mannschaft des Restaurants gehörte. Mittlerweile waren auch die übrigen Gäste in Stimmung gekommen und sangen mit. Das Essen wurde schließlich zur völligen Nebensache als irgendwann dann das italienische Partisanenlied "Bella Ciao" erklang und alle Gäste des Restaurants mit einstimmten und dazu klatschten. Der korsische Herr vom Nachbartisch, der uns schon ein paar Mal angesprochen und zugeprostet hatte, kam schließlich zu uns herüber und schenkte meinem Schwager Wein aus seiner Karaffe nach und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. Der Kellner stellte uns noch einen "Haus-Absacker" hin und wir klatschten mit den anderen Gästen zusammen zu den melancholisch bis feurig schönen Liedern, in denen es um Befreiung und Unabhängigkeit ging.
Leider mussten wir schon bald gehen, da zwei der Kinder bereits lange auf den Stühlen eingeschlafen waren. Wir wurden vom Tischnachbarn und Kellnern mit Händedruck herzlichst verabschiedet und nahmen eine ganz besonders schöne Erinnerung mit.
Dieses "kulturell" so faszinierende Urlaubserlebnis möchte ich nicht missen, weil uns anstelle einer für Touristen inszenierten Veranstaltung ein Ausschnitt wirklich korsischen Lebens, ein Stück "Herz" von Korsika begegnete. Es war neben der Qualität des Gesangs auch beeindruckend zu erleben, mit welcher Selbstverständlichkeit diese jugendlichen Sänger einen positiven Begriff von "Nationalbewusstsein" vermitteln konnten.
Ein Blick in den Reiseführer am nächsten Morgen löste für mich schließlich die Frage nach dem Anlass des besonderen Konzertes: Wir waren am Vorabend eines korsischen Feiertags in der Pizzeria gewesen.
Am 8. September 2003 feierten die Korsen den 60sten Jahrestag der Kapitulation der italienischen Faschisten, die Korsika im 2. Weltkrieg mit 80.000 Söldnern besetzt hatten. Die korsischen Freiheitskämpfer "Scamaroni" und "Nicoli" waren am Widerstand gegen die italienische und später deutsche Besetzung der Insel beteiligt gewesen und hatten zum Abzug der Truppen beigetragen.

Stefanie Hintzen

  Bilder Casinca

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