Der Berg ruft: Wander-/Klettertour Monte Renoso (2352 m) Juli 2008 (Anfahrt über Ghisoni)
Es
ist Donnerstag, der 17.07.2008, und der Wecker klingelt gnadenlos um 6.00 Uhr. Raus aus den Federn, ein schnelles Frühstück, Rucksack packen, denn es wartet der Monte Renoso. Um 7.00 Uhr treffen wir uns auf dem Parkplatz unserer Ferienanlage. Wir, das sind Peter aus der Schweiz, Susanne, Klaus und ich aus Deutschland. Zunächst fahren
wir auf der N 198 an der Küste entlang Richtung Süden. Da es noch sehr früh ist und es wirklich nicht unsere Zeit ist, fahren wir hinter Aléria rechts ab, um ins Landesinnere zu gelangen. Doch schon bald merken wir, dass wir nicht auf dem richtigen Weg sind. Wir sind unterwegs Richtung Corte, wir aber wollen nach Ghisoni. Da jetzt unser Navi funktioniert, die nette Dame uns nun ständig mitteilt ?bitte wenden!?, drehen wir nach 18 km um. Es geht wieder zurück zur N198 und weiter Richtung Süden. Die nächste Abfahrt ins Landesinnere gehört uns. Wir fahren auf der D 343, vorbei an Pflaumenplantagen, bis Saint-Antoine, biegen auf die D 344 und folgen dem Fium
Orbo. Bei Pinzalone erreichen wir eine der wildesten Schluchten Korsikas: Défilé de l Ínzecca. Die Felsen ragen steil zu beiden Seiten des Flusses auf, die Straße ist schmal und schlängelt sich in großer Höhe am Fium Orbo entlang. Wir fahren am Stausee von Sampolo vorbei. Hier ist die Straße eine kleine Erholung, denn dieses kleine Stück wurde neu ausgebaut. Jedoch hält die Erholung nicht lange an, denn die Straße mündet nahtlos in die Défilé des Strette. Auch hier ragen die Felsen hoch über den Fium Orbo, wir fahren am Y-Baum vorbei, der übrigens auch eine Reise wert ist. Nachdem wir beide Schluchten durchfahren haben, erreichen wir schließlich Ghisoni. Lokalitäten auch nicht sehr groß, aber wir finden ein nettes Lokal. Kaffee, Croissant ?
dann brechen wir wieder auf. Lassen uns jedoch vorher vom Wirt des Lokals noch genau den Weg erklären. Schnell noch frische Baguettes holen und etwas zum Trinken; die Fahrt
geht weiter. Hier muss ich noch kurz erwähnen, dass wir hier in Ghisoni einen netten Korsen kennengelernt haben,dem unser Kennzeichen SIB (St. Ingbert) bekannt vorkommt. Es stellt sich heraus,dass dieser Korse mehr als 30 Jahre in Saarbrücken gearbeitet hat. Jetzt geht die Fahrt weiter. Wir folgen den Anweisungen des Wirtes, verlassen Ghisoni, halten uns links, fahren 6,5 km Richtung Col de Verde. Dann geht es rechts ab, ca. 11 km, bis zur Bergerie de Capanelle. Bundesstraßenverhältnisse darf man hier nicht erwarten; die Straße ist stellenweiseziemlich schlecht. Damit können wir aber leben, denn auch in Deutschland sind manche Straßen so gut wie die Straße zur Bergerie.Aber gut durchgeschüttelterreichen wir schließlich denParkplatz. Es ist 9.30 Uhr die Bergerie de Capanelle vor Augen... Susanne und Klaus ziehen noch ihre Wanderschuhe an, schnell noch ein Schluck aus der Wasserflasche Dann, um 9.45 Uhr brechen wir auf zum Gipfel des "Monte Renoso."
Damit man die Tour besser verstehen kann, teile ich den Weg in einzelne Etappen auf.
1. Etappe: Am Skilift gegenüber vom Berghotel beginnt der Weg zum Monte Renoso. Diese 1. Etappe ist mühsam, sehr mühsam. Zum ersten Mal bereue ich, zur Kategorie der Raucher zu gehören. Die Luft ist knapp, und jede einzelne Zigarette der letzten Jahre kommuniziert mit mir. Zehn Schritte laufen - Stopp - zehn Schritte laufen - Stopp - ?. Zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass wir den Marsch mit sehr forschem Schritt angegangen sind. Man sollte langsam starten, denn die Luft in solch einer Höhe ist doch recht dünn. Susanne und Klaus sind sehr rücksichtsvoll. Sie sind die jüngsten Teilnehmer und fragen ständig nach dem Wohlbefinden der beiden Überfünfziger. Diese Etappe ist deshalb so mühsam, weil gerade die Skipiste präpariert wird, dadurch die Erde sehr locker ist und freiliegendes Geröll den Aufstieg erschwert. Aber es ist zu schaffen, und so stehen wir schließlich am obersten Mast des Schleppliftes.
Es bietet sich ein grandioses Bild: Felsmassive,Schneereste,der Blick zur Ostküste, der Blick zur Bergerie und etwas oberhalb bieten Schutzhütten das ganze Jahr Unterkunft.
2. Etappe: Der Pfad ist sehr gut mit kleinen Steinmännchen markiert. Er folgt dem aufwärts ziehenden Höhenrücken über Stein- und Felsenfelder.Es geht zwar ständig nach oben, aber der Pfad ist sehr trittsicher. Mal kleinere Schritte, mal größere Tritte. Die Schneefelder kommen mal näher, dann sind sie wieder nicht zu sehen. Ständig müssen wir stehen bleiben, um die Aussicht in uns aufzusaugen. Wie erklimmen einen Felsrücken, und jetzt sind alle sprachlos. Die 3. Etappe beginnt. Vor uns liegt ein Wiesenplateau, welches der Pizzolo-Bach durchfließt.Es ist alles grün, wir laufen wie auf Samt. Fast ebenerdig überqueren wir die Wiese,eine Kur für meine Atemprobleme, die mittlerweile etwas nachgelassen haben. Ich habe mich an die dünne Luft gewöhnt. Wir lassen rechts von uns eine schöne, von Wassergräben durchzogene Wassermulde liegen und steigen auf dem schwach ausgeprägten Höhenrücken gemütlich an. Hier bieten sich wunderschöne Plätzchen zum Picknicken an, wir aber wandern weiter. Es ist sehr windig, und Susanne packt bereits ihre Jacke aus. Der Wind ist kalt, und wir sind mit kurzen Hosen und Shirts unterwegs. Nun geht das Wiesenplateau zuende und schon bald taucht vor uns ein Grat auf. 4. Etappe: Es geht wieder steil aufwärts, aber auch hier sind keine Kraxeleien notwendig. Es ist zwar sehr steil, aber die Felsen sind trittsicher zu umlaufen oder aber man läuft von Stein zu Stein nach oben. 5. Etappe: Wir überqueren gemütlich ein weiteres Hochtal. Felsen und Stein und dazwischen entdecken wir immer wieder wunderschöne Blumen. In der Ferne hören wie Kuhglocken. Dann nach 2 Stunden liegt er vor uns! Versteckt in einer Senke! Dunkelgrün schimmernd! Der "Lac de Bastani!!!" In einer Höhe von 2089 m. Unsere Badeabsichten lassen wir eingepackt im Rucksack. Das Wasser ist eiskalt, es ist wolkig, es ist windig, es ist sch?.kalt. Es ist so kalt, dass auch ich meine Jacke rauskrame, Susanne noch die Jacke von Klaus überzieht. Peter hat keine Jacke dabei und Klaus hat verloren. Hier am Rande des Sees machen wir eine kleine Frühstückspause. Ich mache mich noch auf den Weg zu den Schneefeldern, denn das glaubt mir zu Hause niemand: Korsika, Sonne, Hitze - mit kurzer Hose und Shirt im Schnee. Das muss natürlich dokumentarisch festgehalten werden. Gestärkt treten wir die nächste Etappe an und sehen unter uns eine Steinhöhle, können aber nicht feststellen, ob es sich um einen Unterstand handelt, oder ob es eine von Schäfern genutzte Höhle ist. Noch schnell die Jacke zumachen, ein letzter Blick auf die wunderschönen Blumen, die genügsam zwischen den Steinen wachsen. 6. Etappe: Wir steigen zum Grat auf. Das heißt, wir steigen nicht auf! Nein! Wir müssen klettern, denn es ist sehr steil. Vorsicht ist geboten, da zwischendurch immer wieder kurze Geröllstücke zu überwinden sind. Aber wir haben ja unsere Jungs dabei, die uns Mädels hin und wieder behilflich sind, um größere Tritte zu überwinden. Aber wir schaffen es? Selbstverständlich! Wir stehen am Grat zum Gipfel des Monte Renoso, zu unseren Füßen den Lac de Bastani mit seinen Schneefeldern. 7. Etappe: Wir laufen nach links über den breiten, einer riesigen Steinwüste ähnelnden Grat zum Gipfel des Monte Renoso. Wir haben Glück heute! Weder Dunst noch Nebel trüben die grandiose Aussicht, die wir alle genießen.Der Weg über den Grat ist einfach zu laufen. Es ist fast ein Spaziergang. Eigentlich hat man auch gar keine Zeit, sich um Hindernisse zu kümmern. Man spürt den Wind nicht mehr! Man ist nur noch überwältigt! Überwältigt von der Stimmung, die diese Höhe ausstrahlt! Überwältigt von der Ruhe,die hier oben herrscht! Was man hört, ist der Wind, der um die Ohren weht. Dann eine weitere mächtige Felswand, die aus riesigen Felsbrocken besteht. Sie sind ganz einfach zu umgehen. Wir laufen um die Wand herum, dann???..! Wir trauen unseren Augen nicht!!!!! Vor uns!!!!! DAS GIPFELKREUZ DES MONTE RENOSO WIR HABEN ES GESCHAFFT! WIR SIND IN EINER HÖHE VON 2354 METER WIR SIND AUF EINEM DER FÜNF BEDEUTENDSTEN BERGE KORSIKAS!!!! Wieder sind wir überwältigt! Man kann dieses Gefühl nicht beschreiben, nicht in Worte fassen. Man muss es einfach selbst erleben. Wir sind stolz auf uns. Zwischen den Felsen finden wir eine Dose mit dem Gipfelstürmerbuch, in das wir uns natürlich eintragen. "Die Gipfelstürmer Susanne, Annette, Klaus und Peter grüßen den Rest der Welt!" Wir suchen uns ein schönes Plätzchen, denn Susanne hat schon wieder Hunger. Wir bewundern in der Zwischenzeit die Aussicht. Das gesamte Gebirgsmassiv liegt uns zu Füßen. Unter uns der Lac de Bastani. Richtung Süden glauben wir, Sardinien erkennen zu können. Richtung Osten erkennen wir den Étang d´Urbino und den Étang de Diane. Im Norden sehen wir die Gipfel des Monte d´Oro,des Monte Rotondo, des Paglia Orba und auch das Cinto Massiv.
So langsam heißt es Abschied nehmen vom Monte Renoso. Wir müssen uns von unseren Eindrücken lösen. Wir laufen wieder auf dem Grat zurück, lassen den Lac de Bastani rechts von uns liegen und wandern weiter, denn wir suchen eine andere Abstiegsmöglichkeit. Wir wollen nicht mehr über den Steilhang zurück, da Peter erst im Januar eine Knieoperation hinter sich gebracht hat, und dieser Abstieg bekommt seinem Knie mit Sicherheit nicht gut. Wir bewundern immer wieder die bunten Blumenfelder, die hier oben auf einem Nichts wachsen, bis wir einen Abhang finden, der uns als
geeignet erscheint. Es ist ein mit Gras bewachsener Abhang, durchzogen mit Felsen und Steinen. Der Abstieg ist recht einfach, und wir erreichen sicher eine Senke. Würden wir auf der anderen Seite wieder aufsteigen, wären wir wieder am See. Wir aber umlaufen den Hang und sind schon bald wieder auf unserem Samtplateau, was recht schnell durchwandert ist, denn es geht ja jetzt abwärts. Unsere Blicke aber gehen immer wieder zurück zu den Felsenwänden und zu den Schneefeldern und wir stehen ganz schnell vor unserer 2. Etappe. Wir sind schon fast wieder unten. Bei dem Abstieg über Höhenrücken mit Felsen und Steinen merken wir, dass unsere Beine jetzt doch ganz schön müde sind.Durch das ständige Bremsen fangen die Beine an zu zittern. Die Muskel der Oberschenkel kündigen ihr Dasein an. Dann stehen wir wieder am oberen Mast des Schleppliftes. Jetzt noch das "üble Stück" überwinden und wir sind am Auto, das wir schon auf dem Parkplatz sehen können.Das letzte Stück, auch wenn es abwärts geht, ist wieder die schlimmste Etappe. Wir rutschen, wir können nur schräg laufen, ansonsten wären wir schneller unten als uns lieb ist. Aber wir schaffen auch dieses Stück und sind am Auto. Nach 5 Stunden und 15 Minuten. Ein Schluck aus der Wasserflasche, wir blicken uns an. Warum geschmackloses Wasser trinken, wenn es in Ghisoni lecker Wasser mit Geschmack gibt? Wir sind uns einig, dass wir uns nach dieser Tour ein lecker Pietra verdient haben. Schnell ins Auto und los geht´s nach Ghisoni in unser kleines Lokal. Das erste Glas ist regelrecht verdunstet. Während wir unser Bierchen schlürfen,noch einmal die Eindrücke unserer Tour verarbeiten, beschließen wir, in 2 Jahren den Monte Cinto zu erklimmen. Deshalb erst in 2 Jahren, weil Susanne und Klaus im nächsten Jahr nicht auf Korsika sind. In einem Moment der Schwäche habe ich noch verlauten lassen, dass ich bis dahin versuchen werde, das Rauchen aufzugeben - habe es aber noch nicht geschafft, arbeite aber an mir. Wir brechen wieder auf, sind uns aber einig, dass es kein guter Tagesabschluss wäre, jetzt einfach nach Hause zu fahren. Wir wollen uns mit Sybille und Reiner in Cervione treffen, um den Tag dort mit einem schönen Essen abzurunden. Sybille und Reiner sind die Teilnehmer, die nicht teilnehmen konnten. Bille, Peters Frau, hat Probleme mit der Hüfte. Reiner, mein Mann, hat eigentlich nur Probleme: Herz, Bandscheibe, kurz vor dem Urlaub eine Operation am doppelten Leistenbruch. Ein kurzer Anruf von unterwegs, und die Sache ist beschlossen. Treffpunkt: Cervione. Wir fahren wieder zur Küstenstraße, dann Richtung Norden, vorbei an der Einfahrt zu unserer Ferienanlage. Noch einige Kilometer, und wir fahren erneut ins Landesinnere. Cervione ist ein verträumtes, am Hang liegendes, kleines Städtchen. In der Nähe der Kirche ist ein kleines Restaurant, aber wir sind noch zu früh. Ich kann aber zumindest einen Tisch für die Truppe bestellen. Wieder zurück am Kirchplatz setzen wir uns in eine Bar, um Reiner und Bille abzufangen.
Ich denke, dass auf unserer Stirn "Hunger" geschrieben steht, denn der Wirt des Hauses stellt sofort Nüsse und Chips auf den Tisch, die ratzfatz aufgefuttert sind. Nun wird ein Teller mit korsischer Wurst serviert. Natürlich auch ratzfatz weg. Mittlerweile sind Bille und Reiner eingetroffen, die gleich von unseren Erlebnissen überschüttet werden.Um 19:30 Uhr brechen wir auf ins "U Casone." Wir schlemmen, erzählen viel, um 23:30 Uhr treten wir den Heimweg an. Wir sind kaputt. Jedoch nicht mein Mann. Er ist ausgeruht und ist noch nicht müde. Also geht es zu Hause noch einmal kurz an die Bar. So schmutzig, verstaubt und verschwitzt wie ich bin. Noch ein Viertel Rosé, dann geht es aber wirklich nach Hause. Duschen! Schlafen!
Noch einige Tipps zum Schluss:
- Badesachen könnt ihr zu Hause lassen; das Wasser vom Lac de Bastani ist zu kalt. - Pullover, Jacke oder besser noch einen Jogging-Anzug in den Rucksack packen. - Feste Schuhe anziehen; am besten sind Wanderschuhe. Wenn Turnschuhe, dann hohe Schuhe, die dem Knöchel Halt geben. - Sollte während der Wanderung Nebel aufkommen, die Tour sofort abbrechen, denn
es kann passieren, dass man den Rückweg nicht mehr findet, da der Nebel sehr dicht werden kann.
Solltet ihr Leser noch Fragen haben - einfach bei mir melden.
Annette Stobbe Oberlandstr. 34 63633 Birstein
Telefon: 06054-908548
Handy: 0161-93725353
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Ansonsten viel Spaß auf dem Monte Renoso !!!!
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